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Open Access 06.05.2024 | Amyloidosen | Bild und Fall

Leitsymptom Hämatemesis

verfasst von: Lea U. Krauß, PD Dr. med. Stephan Schmid, Patricia Mester, Kirsten Utpatel, Martina Müller-Schilling, Vlad Pavel

Erschienen in: Die Gastroenterologie

Hinweise

Redaktion

Alexander Dechêne, Nürnberg
Bernd Kohler, Hirschberg
Andrea Riphaus, Frankfurt am Main
L.U. Krauß und S. Schmid teilen sich die Erstautorenschaft.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

Anamnese

Eine 62-jährige Patientin wurde notfallmäßig bei Hämatemesis, arterieller Hypotonie, Anämie und hämodynamischer Instabilität auf unsere Intensivstation aufgenommen. Bekannt war eine AL-Amyloidose mit kardialer Beteiligung und Omentuminfiltration. Im Rahmen dieser erhielt die Patientin 6 Tage vor dem Ereignis den zweiten Zyklus Chemotherapie mit Daratumumab und Cyclophosphamid, Bortezomib und Dexamethason. In der Medikation fanden sich Acetylsalicylsäure (ASS) und Apixaban bei Zustand nach akuter Beinischämie links. In der Notaufnahme trat eine weitere akute Hämatemesisepisode mit einem konsekutiven Hämoglobinabfall auf. Zur hämodynamischen Stabilisierung und zur notfallmäßigen endoskopischen Untersuchung und Blutstillung erfolgte die Verlegung auf unsere Intensivstation.

Klinischer Befund

Die Patientin präsentierte sich in einem stark reduzierten Allgemeinzustand mit hämodynamischer Instabilität. Das Abdomen war weich ohne Abwehrspannung. Im Aufnahmelabor zeigte sich initial ein Hämoglobin von 10,1 g/dl. Die Leberwerte waren normwertig. Der INR lag unter der bestehenden oralen Antikoagulation bei 1,2. Darüber hinaus fanden sich erhöhte Entzündungswerte: Leukozyten 11.900/µl, CRP 12,5 mg/l (Normwert: < 5 mg/l).

Weiteres Procedere

Nach Schutzintubation erfolgte eine Ösophagogastroduodenoskopie. Hier fanden sich Koagel im Magen sowie mehrere Ulcera ventriculi (Forrest III) im Antrum zur kleinen Kurvatur und ein 3 cm großes Ulcus duodeni (Forrest IIc) im Bulbus duodeni Pars superior. Die orale Antikoagulation mit Apixaban wurde pausiert und eine Protonenpumpenhemmertherapie initiiert. Bei Verdacht auf Aspirationspneumonie wurde eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam begonnen. Bei erneuten Blutungsstigmata nach 24 h zeigte sich gastroskopisch eine aktive Blutung aus einem Ulkus an der Korpushinterwand des Magens (Abb. 1a, b), die mittels TTS-Clip-Applikation versorgt wurde. Das fibrin- und hämatinbelegte Ulkus im Bulbus duodeni wurde biopsiert (Abb. 1c). Im Magen zeigten sich zudem eine polypoide Vorwölbung (Abb. 1d) sowie submuköse Hämatome.

Wie lautet Ihre Diagnose?

Histologie

In der histologischen Aufarbeitung zeigten sich in der Submukosa hyaline eosinophile extrazelluläre Ablagerungen, teilweise auch in der Wandung von Gefäßen (Abb. 2a) und in der Kongorotfärbung im Bereich der beschriebenen Ablagerungen eine distinkte Rotfärbung mit polarisationsoptisch apfelgrüner Doppelbrechung (Abb. 2b).

Therapie

Bei Patientinnen und Patienten mit gastrointestinaler (GI-)Amyloidose und assoziierter GI-Blutung stehen die Kreislaufstabilisierung und Herstellung einer Hämostase mittels endoskopischer Blutstillungstechniken im Vordergrund. Falls die Läsion endoskopisch nicht zugänglich ist oder durch endoskopische Blutstillungstechniken keine Hämostase erreicht werden kann, sollte die Angiographie als weitere Option zur Blutstillung in Betracht gezogen werden. Um die Produktion von Amyloid zu verhindern, werden Kortikosteroide routinemäßig in der Behandlung der AL-Amyloidose eingesetzt. Da die ulzerierenden Läsionen auf dem Boden von Amyloidablagerungen entstanden sind, verabreichten wir zudem einmalig 40 mg Dexamethason intravenös. Unsere Patientin konnte nach erfolgter endoskopischer Blutstillung extubiert und auf Normalstation verlegt werden.

Definition

Bei der Amyloidose kommt es aufgrund von Störungen in der Proteinfaltung zu extrazellulären Ablagerungen von unlöslichen fibrillären Proteinaggregaten [1]. Je nach auslösendem Protein unterscheidet man die Leichtketten(AL)-, die Serumamyloid-A(AA)- und die Transthyretin(ATTR)-Amyloidose. Ein Sonderfall stellt die nach langjähriger Dialyse auftretende β2-Mikroglobulin(Aβ2M)-Amyloidose dar. In den meisten Fällen weisen die Patientinnen und Patienten bereits lange vor Diagnose eine prädisponierende Erkrankung auf. Dazu zählen u. a. die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz, das multiple Myelom, das familiäre Mittelmeerfieber oder auch chronische entzündliche Erkrankungen wie beispielsweise die rheumatoide Arthritis oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Eine gastrointestinale Beteiligung ist bei der AL-Amyloidose häufig und kann auch bei der AA- und ATTR-Amyloidose auftreten [2].
Klinisch können sich die Patientinnen und Patienten mit gastrointestinaler Blutung, Malabsorption, exsudativer Enteropathie oder Motilitätsstörungen präsentieren. Motilitätsstörungen können sich in Form einer Gastroparese, Übelkeit/Erbrechen, Diarrhö, bakterieller Dünndarmfehlbesiedelung, Obstipation oder chronischer intestinaler Pseudoobstruktion äußern. Das endoskopische Bild ist vielseitig. Neben Schleimhautläsionen, wie Erosionen, Erythem, Ulzera, polypoiden Protrusionen und submuköse Hämatome, kann auch eine Ischämie auf eine gastrointestinale Beteiligung hinweisen [35].
Diagnose: gastrointestinale Amyloidose
Die Diagnose der gastrointestinalen Amyloidose erfolgt über die endoskopische Biopsieentnahme und den histologischen Nachweis von Amyloidablagerungen mithilfe der Kongorotfärbung mit Nachweis der typischen polarisationsoptischen apfelgrünen Doppelbrechung.

Therapie und Verlauf

Die Therapie richtet sich nach der gastrointestinalen Symptomatik und der Grunderkrankung. Bei Patientinnen und Patienten mit Motilitätsstörungen und einhergehender Übelkeit und Erbrechen können Prokinetika und Antiemetika verabreicht werden. Wenn Patientinnen und Patienten über Diarrhö und Meteorismus klagen und eine bakterielle Dünndarmfehlbesiedelung vorliegt, können empirische antibiotische Therapien eingesetzt werden. Bei ausgeprägter exsudativer Enteropathie können Glukokortikoide zum Einsatz kommen. Bei gastrointestinalen Blutungen sollten über das Akutmanagement hinaus weitere Risikofaktoren für das Auftreten einer gastrointestinalen Blutung minimiert werden. Letztendlich ist jedoch die Therapie der Grunderkrankung entscheidend, um auch die Symptome der gastrointestinalen Beteiligung zu verbessern [2], diesbezüglich sei auch auf Amyloidosezentren verwiesen.

Fazit für die Praxis

  • Bei bekannter Amyloidose und Auftreten einer gastrointestinalen Blutung sollte an eine gastrointestinale Beteilung der Amyloidose gedacht werden.
  • Zur Diagnose der gastrointestinalen Amyloidose ist die endoskopische Biopsie mit histopathologischer Untersuchung der Goldstandard.
  • Histologisch findet sich typischerweise eine distinkte Rotfärbung mit polarisationsoptisch apfelgrüner Doppelbrechung in der Kongorotfärbung.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

L.U. Krauß, S. Schmid, P. Mester, K. Utpatel, M. Müller-Schilling und V. Pavel geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patient/-innen zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern/Vertreterinnen eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
1.
Zurück zum Zitat Franck C, Venerito M, Weigt J, Roessner A, Malfertheiner P (2017) Recurrent diffuse gastric bleeding as a leading symptom of gastrointestinal AL amyloidosis. Z Gastroenterol 55(12):1318–1322CrossRefPubMed Franck C, Venerito M, Weigt J, Roessner A, Malfertheiner P (2017) Recurrent diffuse gastric bleeding as a leading symptom of gastrointestinal AL amyloidosis. Z Gastroenterol 55(12):1318–1322CrossRefPubMed
2.
Zurück zum Zitat Syed U, Companioni CRA, Alkhawam H, Walfish A (2016) Amyloidosis of the gastrointestinal tract and the liver: clinical context, diagnosis and management. Eur J Gastroenterol Hepatol 28(10):1109–1121CrossRefPubMed Syed U, Companioni CRA, Alkhawam H, Walfish A (2016) Amyloidosis of the gastrointestinal tract and the liver: clinical context, diagnosis and management. Eur J Gastroenterol Hepatol 28(10):1109–1121CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat Krauß LU, Schmid S, Mester P, Utpatel K, Kunst C, Müller M et al (2023) Clinical, Endoscopic, and Histopathologic Observations in Gastrointestinal Amyloidosis. J Gastrointestin Liver Dis 32(4):497–506CrossRefPubMed Krauß LU, Schmid S, Mester P, Utpatel K, Kunst C, Müller M et al (2023) Clinical, Endoscopic, and Histopathologic Observations in Gastrointestinal Amyloidosis. J Gastrointestin Liver Dis 32(4):497–506CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat Iida T, Yamano H, Nakase H (2018) Systemic amyloidosis with gastrointestinal involvement: Diagnosis from endoscopic and histological views. J Gastroenterol Hepatol 33(3):583–590CrossRefPubMed Iida T, Yamano H, Nakase H (2018) Systemic amyloidosis with gastrointestinal involvement: Diagnosis from endoscopic and histological views. J Gastroenterol Hepatol 33(3):583–590CrossRefPubMed
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Zurück zum Zitat Said SM, Grogg KL, Smyrk TC (2015) Gastric amyloidosis: clinicopathological correlations in 79 cases from a single institution. Hum Pathol 46(4):491–498CrossRefPubMed Said SM, Grogg KL, Smyrk TC (2015) Gastric amyloidosis: clinicopathological correlations in 79 cases from a single institution. Hum Pathol 46(4):491–498CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Leitsymptom Hämatemesis
verfasst von
Lea U. Krauß
PD Dr. med. Stephan Schmid
Patricia Mester
Kirsten Utpatel
Martina Müller-Schilling
Vlad Pavel
Publikationsdatum
06.05.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Gastroenterologie
Print ISSN: 2731-7420
Elektronische ISSN: 2731-7439
DOI
https://doi.org/10.1007/s11377-024-00800-z

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