Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Fettstoffwechselstörungen sind neben arterieller Hypertonie und Diabetes mellitus der wichtigste und am besten modifizierbare kardiovaskuläre Risikofaktor. Durch Lebensstilmodifikation und eine am individuellen Zielwert orientierte medikamentöse Stufentherapie auf Basis von Statinen kann eine adäquate Senkung des LDL-Cholesterins erreicht werden. Die Therapie wird am effektivsten mit Atorvastatin oder Rosuvastatin in primärer Kombination mit Ezetimib begonnen. Wird der Zielwert nicht erreicht, erfolgt eine schrittweise Eskalation mit Bempedoinsäure und anschließend mit einem PCSK-9-Inhibitor (Evolocumab, Alirocumab, Inclisiran). Patienten nach aortokoronarer Bypass-Operation haben ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko. Für diese Patientenpopulation gilt ein Ziel-LDL-C < 1,4 mmol/l, vergleichbar mit Patienten nach akutem Myokardinfarkt.
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Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Eine aktuelle Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung zeigt, dass Deutschland bei einem der wichtigsten Gesundheitsindikatoren, der Lebenserwartung bei Geburt, inzwischen zu den Schlusslichtern in den hochindustrialisierten Ländern gehört [1]. Verantwortlich dafür zeichnet eine überproportional hohe Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen, die auf unzureichende präventive Maßnahmen im Gesundheitssystem zurückzuführen ist.
Das Global Cardiovascular Risk Consortium unter Federführung des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) zeigt in einer aktuellen, prospektiven Studie, dass die fünf klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren erhöhte Cholesterinwerte, Blutdruck, Diabetes mellitus, Rauchen und Übergewicht weltweit im direkten Zusammenhang mit mehr als der Hälfte aller kardiovaskulären Erkrankungen stehen. In Westeuropa sind bei Männern erhöhte Cholesterinspiegel noch vor Bluthochdruck und Diabetes mellitus mit kardiovaskulären Erkrankungen assoziiert, während bei Frauen nach erhöhtem Blutdruck der Cholesterinspiegel vor dem Diabetes mellitus steht. Erhöhte Cholesterinspiegel sind damit der wichtigste und am besten modifizierbare kardiovaskuläre Risikofaktor [2].
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Für die Diagnostik und Therapie von Fettstoffwechselstörungen liegen seit 2019 von der European Atherosclerosis Society (EAS) und der European Society of Cardiology (ESC) aktualisierte Leitlinien vor, die von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) weitestgehend übernommen wurden [3‐5]. Im Kern wird eine Kombination aus Lebensstilmodifikation und einer medikamentösen Kombinationstherapie auf der Basis von Statinen zur individuell am Zielwert orientierten LDL-Cholesterinsenkung empfohlen [4, 6‐8]. In Analogie zu den „Pack Years“ beim Rauchen ist eine Reduktion der kumulativen Exposition zu Low-Density-Cholesterin (LDL-C) über die gesamte Lebenszeit – die Reduktion der Cholesterinlebensjahre – paradigmatisch [9].
Die Studie EU-Wide Cross-Sectional Observational Study of Lipid-Modifying Therapy Use in Secondary and Primary Care (DaVinci) zeigt, dass insbesondere in Deutschland nur 16 % der kardiovaskulären Hochrisikopatienten die empfohlenen LDL-C-Zielwerte erreichen [10]. Dabei ist auch die Weiterverordnung der lipidsenkenden Therapie problematisch. So wird 3 Jahre nach Erstverordnung nur noch bei 50 % der Patienten ein PCSK9-mAb, bei 22 % der Cholesterinresorptionshemmer Ezetimib und bei 21 % ein Statin verordnet [11].
Hier setzt die „Auf Ziel“-Kampagne der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und Ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga e.V.) an. In der prospektiven Kohortenstudie „Jena auf Ziel“ wurde bei Hochrisikopatienten mit einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) durch eine frühe Kombinationstherapie mit Atorvastatin 80 mg und Ezetimib 10 mg und gegebenenfalls einer Therapieeskalation mit Bempedoinsäure oder PCSK9-mAb bei allen Patienten der EAS/ESC-LDL-C-Zielwert erreicht [12]. Insbesondere konnte gezeigt werden, dass durch die inzwischen generisch verfügbare Kombination eines hochpotenten Statins mit Ezetimib durchschnittlich das LDL‑C um 2 mmol/l (80 mg/dl) gesenkt und damit bei 80 % der Patienten die empfohlenen LDL-C-Ziele erreicht werden konnten. Schwedische Registerdaten verdeutlichen die immense Bedeutung dieser frühen, starken LDL-C-Senkung („Strike early and strike strong“) bei Patienten nach Myokardinfarkt. In SWEDEHEART war eine LDL-C-Senkung um 2 mmol/l (80 mg/dl) nach ST-Hebungsinfarkt über einen Zeitraum von 4 Jahren mit einer Reduktion der Gesamtmortalität um 65 % assoziiert [13]. Nicht zuletzt deshalb hat die aktuell auf dem europäischen Kardiologenkongress (ESC) 2023 vorgestellte Leitlinie zur Behandlung von Patienten im akuten Koronarsyndrom das Konzept „Strike early and strike strong“ mit einer frühen Kombinationstherapie bei diesem Hochrisikopatientenkollektiv übernommen [14].
Die Indikation für eine lipidsenkende Therapie erfolgt nach individueller Risikostratifikation. Bei Menschen ohne eine etablierte kardiovaskuläre Erkrankung wird das SCORE2/OP-System angewendet [15]. Das Score-System prognostiziert in Abhängigkeit von Alter, Gesamtcholesterin, HDL‑C, LDL‑C, Blutdruck, Raucherstatus und Geschlecht das 10-Jahres-Risiko für ein tödliches oder ein nichttödliches kardiovaskuläres Ereignis. Das Score-System wird nicht angewandt bei klinisch relevanter Atherosklerose (KHK, CVK, PAVK), Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz oder familiärer Hyperlipoproteinämie. Unter https://www.agla.ch/de/rechner-und-tools/esc-score2-rechner steht ein Online-Kalkulator zur Verfügung. Die Eingruppierung erfolgt in 5 Risikogruppen (niedrig, moderat, hoch, sehr hoch, extrem) mit entsprechenden Zielwerten (Abb. 1).
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Für Patienten mit Diabetes mellitus steht seit dem ESC 2023 der SCORE2 Diabetes zur Verfügung [16]. Deutschland gehört hier bezüglich der alters- und geschlechtsstandardisierten WHO-CVD-Mortalitätsraten zur Gruppe der Länder mit „moderatem Risiko“ (Abb. 2 und 3).
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Klassifizierung von Fettstoffwechselstörungen
Hypercholesterinämie
Hypertriglyzeridämie
Kombinierte oder gemischte Hyperlipoprotinämie bzw. Dyslipoproteinämie
HDL-Erniedrigung
Lp(a)-Hyperlipoproteinämie
Diagnostik
Labordiagnostik
Das LDL‑C ist der wichtigste Parameter zur Diagnostik und Evaluation der Therapie. Das HDL‑C kann zur verbesserten Risikoeinschätzung hinzugezogen werden, gilt aber inzwischen als vernachlässigbar. Die Verwendung des LDL/HDL-Verhältnisses ist nach neueren Daten nicht sinnvoll. Aktuell ist das HDL‑C kein Target für eine medikamentöse Therapie [17].
Erhöhte Triglyzeride zeigen sich bei etwa 15–20 % der erwachsenen Population und sind assoziiert mit Atherosklerose, Übergewicht, metabolischem Syndrom und Diabetes [18, 19]. Apolipoprotein B ist Bestandteil aller atherogenen Lipoproteine und summiert das kumulative Risiko aller atherogenen Partikel [20]. Es ist ebenso wie das Nicht-HDL-Cholesterin ein guter alternativer Risiko- und Therapiemarker. Diese Parameter wurden daher als neue sekundäre Behandlungsziele aufgewertet und in die ESC/EAS-Leitlinie aufgenommen ([3]; Abb. 4).
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Das Lipoprotein (a) (Lp(a)) ist ein LDL-ähnliches Lipoprotein mit kovalenter Bindung an Apolipoprotein A, ist genetisch determiniert und hat atherogenes Potenzial [21]. Es sollte bei jedem Patienten einmal im Leben bestimmt werden [3]. Therapeutische Optionen zur medikamentösen Senkung von Lp(a) stehen zum Beispiel mit dem Antisense-Oligonukleotid (Pelacarsen), oder mit der „small interfering RNA“ (siRNA) Olpasiran zur Verfügung und werden aktuell in laufenden Endpunktstudien auf harte klinische Endpunkte untersucht [22].
Genetische Diagnostik
Bei einem LDL-Cholesterin von > 4,9 mmol/l (> 190 mg/dl), frühzeitigen Herzerkrankungen in der Familie und Nachweis von Sehnenxanthomen besteht der Verdacht auf eine familiäre Hyperlipoproteinämie (FH). Der Verdacht kann einfach mit dem DUTCH LIPID SCORE verifiziert werden (https://www.lipidtools.com/calculator-pages/dlcn/). Bei einem Score > 8 Punkte ist die Diagnose einer familiären Hyperlipoproteinämie wahrscheinlich. Die FH wird autosomal-dominant vererbt – zumeist LDL-Rezeptor-Mutationen – und ist mit einer Prävalenz von 1:500 eine der häufigsten genetischen Erkrankungen [23, 24]. Vor dem Hintergrund der Reduktion der Cholesterinlebensjahre wird eine frühzeitige Identifikation und Therapie betroffener Patienten empfohlen [25, 26]. Bei homozygoter familiärer Hyperlipoproteinämie kann dabei schon im frühen Kindesalter die Indikation zur Lipidapherese gestellt werden [27]. Ähnliches gilt für schwere Formen der Hypertriglyzeridämie (> 10 mmol/l) mit Gefahr lebensbedrohlicher rezidivierender Pankreatitiden. Bei Patienten mit rezidivierenden Bauchschmerzen und ggf. Pankreatitiden sollte differenzialdiagnostisch auch an ein familiäres Chylomikronämie-Syndrom gedacht werden. Die Diagnose erfolgt über eine genetische Abklärung (LPL, ApoC2, ApoA5, GPIHBP1, LMF1) und kann bei genetischer Sicherung mit dem Antisense-Oligonukleotid Volanesorsen (Inhibitor Apolipoprotein C‑III) behandelt werden [28].
Bildgebende Diagnostik
Eine bildgebende Diagnostik wird zur Risikostratifizierung bei Patienten mit geringem und intermediärem Risiko empfohlen [3]. Hier ist insbesondere die Duplexsonographie der Karotisbifurkation und der Femoralgabel zu erwähnen. Eine atherosklerotische Plaque wird dabei definiert als eine Struktur, die > 1,5 mm in das arterielle Lumen ragt oder > 50 % der umgebenden Intima-Media-Dicken ausmacht [29]. Daneben ist die Bestimmung des koronaren Kalkscores mittels Computertomographie zur initialen Risikostratifizierung möglich.
Therapie
Lebensstilmodifikation
Ein gesunder Lebensstil ist die Basis jeglicher Therapie. Es wird eine lebenslange Nikotinabstinenz, eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität empfohlen [3]. Folgende Lebensstilveränderungen können zur Verbesserung des Lipidprofils führen:
Senkung der Transfette und der gesättigten Fette in der Ernährung
Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren
Vermeidung/Reduktion von Alkohol, einfachen Kohlenhydraten und von Übergewicht (Body-Mass-Index im Bereich 20–25 kg/m2),
ballaststoffreiche Ernährung
cholesterinarme Ernährung
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Ein grundlegendes Prinzip der Leitlinie ist, dass jede LDL-C-senkende Maßnahme das kardiovaskuläre Risiko senkt. Am Beispiel der empfohlenen Phytosterine ist dies jedoch kritisch zu diskutieren. Phytosterine senken das LDL‑C um ca. 10 % bei gleichzeitiger Erhöhung des Plasmaspiegels der Phytosterine. Genetische Analysen zeigen jedoch, dass Phytosterine hochatherogen sind und etwa 40 % des Cholesterinrisikos ausmachen [30, 31].
Lipidsenkende Therapie
Vor dem Start einer LDL-C-senkenden Therapie werden mindestens zwei Messungen im Abstand von 1–12 Wochen empfohlen [32]. Ausnahmen sind Patienten, bei denen eine sofortige Therapie indiziert ist. Eine Beurteilung der Senkung ist nach 7–10 Tagen möglich. Eine Kontrolle sollte nach 4–6 Wochen erfolgen. Außerdem sollten vor Therapiestart die Alaninaminotransferase (ALT) und die Kreatinkinase (CK) kontrolliert werden. Danach bei erneuter Vorstellung einmalig die ALT (Toleranz von Werten bis 3 × oberer Grenzbereich mit Verlaufskontrolle in 4–6 Wochen). Die CK sollte nur bei Muskelschmerzen kontrolliert werden.
Neben der Lebensstilmodifikation sollten mit einer medikamentösen Stufentherapie die individuellen Zielwerte erreicht werden. Hochpotente Statine, wie Atorvastatin und Rosuvastatin sind die Basis der medikamentösen Therapie. Bei Nichterreichen der Zielwerte sollte diese durch stufenweise Kombination mit Ezetimib, Bempedoinsäure und PCSK9-Inhibitoren erweitert werden [6, 32‐35]. Bei Patienten mit akuten Koronarsyndrom ist seit dem ESC 2023 eine primäre Kombinationstherapie eines hochpotenten Statins mit Ezetimib empfohlen [14].
Statine
Statine sind Inhibitoren der 3‑Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase) der Cholesterinbiosynthese. Die neueren hochpotenten synthetischen Statine (Atorvastatin bzw. Rosuvastatin) sind Medikamente der 1. Wahl und senken bei maximaler Dosierung (80 mg, bzw. 40 mg) das LDL‑C um 30 bis 60 %. Die interindividuelle Variabilität der LDL-C-Senkung ist abhängig von der Aktivität der endogenen Cholesterinbiosynthese [36, 37]. Die Absenkung des LDL‑C um 1 mmol/l (39 mg/dl) durch eine Statintherapie zeigt in Metaanalysen eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse um ca. 25 % pro Jahr [38, 39]. Eine Verdopplung der Statindosis führt zu einer zusätzlichen Senkung des LDL‑C um ca. 6 % [32].
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Statine sind eine der am besten untersuchten Medikamentenklasse. Die Wirkung, langjährige Verträglichkeit und Sicherheit der Statine sind in Studien über 3 Jahrzehnte hinweg nachgewiesen. Seltene Nebenwirkungen von Statinen sind eine zumeist temporäre Erhöhung der Leberwerte, eine geringe Erhöhung der Inzidenz von Diabetes mellitus sowie statinassoziierte Muskelsymptome (SAMS) in Form von Myalgien, Myopathien und Myositis mit oder ohne Erhöhung der Kreatinkinase (CK). SAMS sind aktuell Gegenstand einer prospektiven Register-Studie der Universität Leipzig (Statin-Intoleranz-Register – SIR) [40, 41]. Bei der Therapieeinleitung sollte auf den NOCEBO-Effekt geachtet werden. Nebenwirkungen sind bei verblindeter Gabe deutlich seltener [42].
Ezetimib
Ezetimib ist ein Cholesterinresorptionshemmer und wirkt über Hemmung des Niemann-Pick-C1-Like-1(NPC1L1)-Transporters an der apikalen Membran der Enterozyten. Die Aufnahme von Cholesterin wird um 15 bis 22 % [36], die Aufnahme von Phytosterinen um 50 % gesenkt [43]. IMPROVE-IT konnte bei akutem Koronarsyndrom einen klaren Nutzen von Ezetimib zusätzlich zu Statinen zeigen [33]. Darüber hinaus zeigten weitere Analysen von IMPROVE-IT eine signifikante Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko [44], nach aortokoronarer Bypassoperation [45] sowie bei Patienten über 75 Jahren [46, 47]. Aufgrund einer alternden Bevölkerung, der Atherogenität von Phytosterinen und verschärfter LDL-C-Zielwerte ist ein vermehrter Einsatz von Ezetimib in primärer Kombinationstherapie mit einem modernen Statin zu diskutieren.
Anionenaustauscherharze, Gallensäuresequestranten
Das neue synthetische Colesevelam und die älteren Cholestyramin und Colestipol binden Gallensäuren im Darm und werden nicht resorbiert. Dies führt zu einer vermehrten Gallensäuresynthese der Leber unter Verbrauch von Cholesterin mit einer durchschnittlichen LDL-C-Senkung um 20–30 %. Gallenaustauscherharze sind Reservemedikamente, da sie insgesamt eher schlecht vertragen werden und nur noch selten klinische Anwendung finden [48].
Fibrate, Omega-3-Fettsäuren und Volanesorsen
Fibrate können Triglyzeride um bis zu 70 % senken und HDL‑C um bis zu 30 % steigern. Die LDL-C-Senkung ist variabel um bis zu 20 %. Sie bewirken eine Aktivitätssteigerung des Fettsäureabbaus in Peroxisomen durch Bindung an den intrazellulären PPARα mit transkriptionellen Veränderungen. Bei fehlenden Endpunktstudien werden sie aktuell nicht routinemäßig eingesetzt. Bekannte Vertreter sind Fenofibrat und Bezafibrat mit Einsatz bei Hypertriglyzeridämien [48].
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Omega-3-Fettsäuren können Triglyzeride von 25 % bis maximal 45 % senken [49]. Für Icosapent-Ethyl (Vazkepa) liegt darüber hinaus mit REDUCE-IT eine positive Endpunktstudie vor [50]. Vazkepa ist seit 09/22 in Deutschland leider nicht mehr verfügbar und nur über internationale Apotheken erhältlich.
Das Antisense-Oligonukleotid Volanesorsen kann bei Patienten mit genetisch diagnostiziertem familiärem Chylomikronämie-Syndrom (FCS), rezidivierenden Pankreatitiden und nicht ausreichender diätetischer und medikamentöser Therapie angewendet werden. Initial werden für 3 Monate wöchentliche, danach 14-tägige Injektionen verabreicht. Häufige Nebenwirkung sind Thrombozytopenien mit Therapiepause. Die Triglyzeride können dabei um bis zu 70 % gesenkt werden [28].
PCSK9-Inhibitoren
PCSK9 („proprotein convertase subtilsin/kexin type 9“) ist eine im Plasma zirkulierende Serinprotease, die an den LDL-Rezeptor bindet. Diese Bindung führt zu einer Internalisierung des LDL-Rezeptors und dessen lysosomalen Abbau. PCSK9-Inhibitoren verhindern diese Bindung und führen zur Erhöhung der LDL-Rezeptorendichte auf der Zelloberfläche und dadurch vermehrten Aufnahme von LDL-C-Partikeln aus dem Plasma [51]. Die FOURIER- und ODYSSEY-OUTCOMES-Studie konnte zeigen, dass ein PSCK9-Hemmer zusätzlich zur maximal tolerierten Statindosis zu einer LDL-C-Senkung von ca. 60 % führt [34, 35]. Außerdem wird über einen nicht vollständig verstandenen Mechanismus Lipoprotein (a) um ca. 25 % gesenkt. Evolocumab und Alirocumab werden alle 2 bis 4 Wochen subkutan injiziert. Voraussetzung für die Verschreibung ist ein nicht erreichter LDL-C-Zielwert unter maximal tolerierter Statintherapie in Kombination mit Ezetimib und Bempedoinsäure.
Alternativ zu den monoklonalen Antikörpern steht eine PCSK9-siRNA (Inclisiran) zur Verfügung. siRNA hemmen hochspezifisch die mRNA des Zielproteins. Inclisiran verhindert damit die Translation von PCSK9. Inclisiran wird nach initial einmaliger 3‑monatiger Gabe halbjährlich appliziert [52]. In der gerade auf dem ESC vorgestellten ORION-8-Studie zeigte sich eine stabile LDL-C-Senkung von 49 % bei einer exzellenten Verträglichkeit [53, 54]. Die ersten „Real-Life-Daten“ aus Deutschland zeigten jedoch mit knapp 41 % eine weniger effektive LDL-C-Senkung mit hoher interindividueller Variabilität [55]. Sehr wahrscheinlich sind Unterschiede im Cholesterinmetabolismus und bei der begleitenden lipidsenkenden Therapie hierfür ausschlaggebend. Eine Endpunktstudie für harte kardiovaskuläre Ereignisse steht aus.
Bempedoinsäure
Bempedoinsäure ist ein Inhibitor der ATP-Citrat-Lyase (ACL). Bempedoinsäure hemmt die Cholesterinbiosynthese einen Schritt vor der HMG-CoA-Reduktase (Statine) und senkt das LDL‑C um ca. 20 %. Die Bempedoinsäure ist ein „pro-drug“ und wird in den Leberzellen in den aktiven Metaboliten überführt [56, 57]. Es treten deutlich weniger Myalgien auf. Bempedoinsäure wird auch als Kombinationspräparat mit Ezetimib angeboten [58]. In der CLEAR-Outcomes-Studie konnte eine Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit Ezetimib und niedrigdosierten Statin in Kombination mit Bempedoinsäure gezeigt werden [59].
Sonstige Medikamente
Aktuell haben weitere lipidsenkende Medikamente wie Lomitapid (Inhibitor des mikrosomalen Triglyzeridtransferproteins), Mipomersen (Antisense-Oligonukleotid gegen ApoB), Nikotinsäure und CETP-Inhibitoren (Inhibitoren des Cholesterin-Ester-Transfer-Proteins) in der täglichen klinischen Praxis nur eine untergeordnete Bedeutung.
Lipidapherese
Bei homozygoter familiärer schwerer Hypercholesterinämie und bei Hyperlipoproteinämie (a) mit fortschreitender kardiovaskulärer Erkrankung nach LDL-C-Einstellung besteht die Möglichkeit einer Lipoprotein-Apherese. Die Therapie ein- bis zweiwöchentlich kann das LDL‑C bis zu 70 % senken. Die Indikation wird durch eine regionale Apherese-Kommission gestellt. Aktuell liegen keine randomisierten, klinischen Endpunktstudien vor [60]; im Deutschen Lipoproteinapherese-Register (DLAR) konnte nach dem Einsatz von Apherese jedoch ein signifikanter Rückgang von kardiovaskulären Ereignissen gezeigt werden [61].
Kardiochirurgische Patienten
Bei kardiochirurgischen Patienten mit Indikation zur aortokoronarer Bypass-Operation liegt häufig eine diffuse koronare Herzerkrankung zugrunde. Daher sind Patienten nach aortokoronarer Bypass-Operation „per se“ mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko belastet. In IMPROVE-IT zeigten Patienten mit aortokoronarer Bypass-Operation einen besonders großen Nutzen von einer zusätzlichen Therapie mit Ezetimib zu einem Statin. Die Number-needed-to-treat (NNT) war lediglich 11 bei einer absoluten Risikoreduktion von 8,8 % [33, 45]. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz einer frühen Kombinationstherapie – vergleichbar zum akuten Koronarsyndrom – auch bei Patienten nach aortokoronarer Bypass-Op. zu diskutieren. Damit wäre die LDL-C-Zielwerterreichung von 1,4 mmol/l (55 mg/dl) auch in diesem Kollektiv schneller und einfacher zu erreichen (Abb. 5).
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In Abb. 6 werden die durchschnittlich zu erwartende Senkung des LDL-Cholesterins durch eine medikamentöse Therapie aufgeführt.
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Fazit für die Praxis
Fettstoffwechselstörungen sind der wichtigste und am besten zu modifizierende kardiovaskuläre Risikofaktor.
Die moderne medikamentöse Stufentherapie ermöglicht bei fast allen Hochrisikopatienten ein Erreichen der LDL-C-Zielwerte.
Insbesondere bei Hochrisikopatienten – wie bei Patienten nach akutem Koronarsyndrom – ist die frühe Kombinationstherapie (Statin + Ezetimib) empfehlenswert.
Für Patienten nach aortokoronarer Bypass-Op. sollte ein vergleichbares Vorgehen diskutiert werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J.A. Geiling, P. C. Schulze und O. Weingärtner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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