Erneut deutet eine Studie auf ein erhöhtes Demenzrisiko unter Profifußballern: In einer britischen Analyse war die Prävalenz kognitiver Beeinträchtigungen bei Spielern mit häufigem Kopfballspiel deutlich erhöht.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Manchmal müssen erst einige Ikonen erkranken, um auf ein Problem aufmerksam zu machen: Nachdem bereits fünf Spieler aus der britischen Weltmeistertruppe von 1966 einer Demenz anheimgefallen sind und man bei Autopsien Hinweise auf eine chronisch-traumatische Enzephalopathie (CTE) fand, wie sie sonst eher bei Boxern, Rugby- und Football-Spielern auftritt, ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob eine Fußballkarriere in ähnlicher Weise hirnschädigend ist. Inzwischen gibt es einige Untersuchungen, nach denen das Demenzrisiko bei Profifußballern drei- bis fünffach erhöht ist, allerdings abhängig von ihrer Position im Spiel: Torhüter haben diesbezüglich wenig zu befürchten, am stärksten gefährdet sind Verteidiger, die brenzlige Situationen oftmals per Kopfball klären und auch sonst ein recht hohes Risiko tragen, ihren Schädel irgendwo anzustoßen – etwa an Knien, Ellbogen oder Köpfen anderer Spieler (mehr dazu auf ÄrzteZeitung.de). Rund 30 britische Exprofis und deren Familien haben aufgrund solcher Erkenntnisse nicht nur die Fußballverbände von England und Wales verklagt, sondern auch das „International Football Association Board“ (IFAB), welches Regeländerungen beschließt. Der Vorwurf: Die Verbände würden „keine angemessenen Maßnahmen“ ergreifen, um die Spieler vor Kopfverletzungen und deren Folgen zu schützen.
Für den Ausgang solcher Prozesse dürfte entscheidend sein, wie gut sich der Zusammenhang zwischen Fußballspielen und einer Demenz belegen lässt. Von daher sind in den kommenden Jahren etliche Untersuchungen zu diesem Thema zu erwarten. Aktuell hat ein Team um Dr. Shima Espahbodi von der Universität in Nottingham die geistigen Fähigkeiten von 459 britischen Exprofis überprüft und diese dabei nach ihrer Kopfballfrequenz stratifiziert. Auch aus dieser Analyse ergibt sich ein klarer Zusammenhang zwischen häufigem Kopfballspiel und einer kognitiven Beeinträchtigung im Alter.
Die Exprofis waren bei der Untersuchung in den Jahren 2020 und 2021 im Schnitt rund 64 Jahre alt, hatten in ihrer Karriere über 470 Spiele absolviert und etwa 14 Stunden pro Woche trainiert, 40% berichteten über Gehirnerschütterungen in ihrer aktiven Zeit. Fast alle waren körperlich noch fit und hatten keine kardiometabolischen Erkrankungen, 13 aber bereits eine Demenz.
Alle füllten eine Reihe von Fragebögen aus, dabei sollten sie auch ihre Kopfballfrequenz angeben. Allerdings hatte nur rund die Hälfte der angeschriebenen 878 Spieler geantwortet oder Angaben zum Kopfballspiel gemacht. Solche Spieler wurden schließlich per Telefon einigen Kognitionstests unterzogen, unter anderem dem „Telephone Interview for Cognitive Status-modified“ (TICS-m). Ein Wert unter 21 Punkten wird hier als kognitive Beeinträchtigung definiert.
Verteidiger besonders gefährdet
Insgesamt gab ein Viertel eine geringe Kopfballfrequenz in den Spielen an (0–5 Kopfbälle), etwa 40% nannten eine mittlere (6–15) und die übrigen 35% eine hohe (über 15 Kopfbälle pro Spiel).
In der Gruppe mit niedriger Kopfballfrequenz erfüllten 9,8% die Kriterien für eine kognitive Beeinträchtigung, bei moderater Frequenz waren es 14,8% und bei hoher 15,2%. Wurden diverse Begleitfaktoren wie Alter, Alkohol- und Tabakkonsum oder Bildung berücksichtigt, ergab sich sowohl für Spieler mit moderater Kopfballfrequenz (Odds Ratio, OR = 2,7) als auch solche mit hoher Frequenz (OR = 3,5) ein deutlich erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen – verglichen mit Spielern, die selten den Kopf einsetzten. Ein ähnlicher Zusammenhang zeigte sich, wurde nach der Kopfballfrequenz im Training stratifiziert oder die Frequenz aus Spiel plus Training addiert – stets war eine dosisabhängige Korrelation erkennbar: Je häufiger Kopf und Ball zusammenfanden, umso eher litt die Kognition im Alter. Auch in dieser Analyse behielten Torhüter den klarsten Kopf: Verglichen mit ihnen waren Verteidiger etwa dreifach häufiger von einer altersbezogen schlechten Kognition betroffen, allerdings erwies sich hier die Differenz als nicht statistisch signifikant, auch hatten die Dauer der Fußballkarriere, die Gesamtzahl der Spiele und die Trainingsintensität keinen belastbaren Einfluss auf die Rate kognitiver Störungen – vielleicht war hier schlicht die Stichprobe zu klein. Ein erhöhtes Risiko deutete sich jedoch bei Spielern an, die schwere Gehirnerschütterungen mit anschließendem Gedächtnisverlust erlitten hatten.
Ein Problem der Studie ist zum einen der Selektionsbias – rund die Hälfte der kontaktierten Spieler hat sich nicht an der Untersuchung beteiligt, das mag die Resultate verzerrt haben. Zum anderen beruhen die Angaben zur Kopfballfrequenz auf Selbstauskünften, auch diese sind Jahrzehnte nach der aktiven Zeit vielleicht nicht sonderlich vertrauenswürdig.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Ist das Risiko für kognitive Beeinträchtigungen bei ehemaligen Profifußballern im Alter erhöht, wenn sie in ihrer aktiven Karriere häufig den Kopf eingesetzt haben? Antwort: Eine telefonische Untersuchung bei 459 ehemaligen britischen Fußballprofis ergab eine signifikant erhöhte Rate für eine schlechte kognitive Leistung unter Spielern mit hoher Kopfballfrequenz. Bedeutung: Ein hoher Kopfeinsatz im Fußball könnte eine Demenz im Alter fördern. Einschränkung: Selektionsbias, Angaben zur Kopfballfrequenz beruhen auf Selbstauskünften. |