MS-Therapie auch bei spätem Krankheitsstart erfolgreich

Beginnt eine schubförmige MS erst im Alter ab 50 Jahren, scheint eine spezifische Therapie ähnlich wirksam zu sein wie bei jüngeren Patienten: Schubrate und Behinderungsprogression werden vergleichbar gedämpft. Bei den meisten MS-Kranken fangen die Beschwerden in der dritten und vierten Lebensdekade an, ein kleiner Teil entwickelt eine MS aber erst im Alter über 50 Jahren. Studien zufolge seien etwa 5–10% aller MS-Fälle einer solchen „late onset MS“ (LOMS) zuzuordnen, berichtete Professorin Bianca Weinstock-Guttman von der Jacobs School of Medicine an der Universität in Buffalo [1]. Grundsätzlich gebe es nur wenige genetische Unterschiede zwischen einer „early onset MS“ (EOMS) und einer LOMS. So hätten jeweils etwa 10% der Betroffenen erstgradige Verwandte mit MS, erläuterte Weinstock-Guttman auf dem gemeinsamen Kongress der beiden MS-Gesellschaften ECTRIMS und ACTRIMS in Mailand. Eine LOMS beginne jedoch häufiger mit motorischen Symptomen, dagegen seien sensorische Beschwerden und eine Optikusneuritis öfter bei EOMS zu beobachten. Zudem wiesen LOMS-Kranke deutlich geringere Konzentrationen von Entzündungsmarkern auf, auch seien die Schub- und MRT-Läsionsraten altersabhängig geringer. Ferner erreichten Patientinnen und Patienten mit LOMS früher einen EDSS-Wert von 6: In einer Analyse aus Kanada war dies bei EOMS nach 28 Jahren, bei LOMS bereits nach 17 Jahren der Fall. Allerdings waren die EOMS-Kranken dann im Mittel erst 58 Jahre alt, diejenigen mit LOMS 71 Jahre. Ein weiterer Unterschied: Der Männeranteil scheint bei LOMS etwas höher zu sein als bei EOMS. Registeranalysen sprechen zudem dafür, dass eine rasche Behinderungsprogression vor allem bei Männern und Personen mit primär progredienter LOMS erfolgt, auch deutet sich an, dass Personen mit LOMS seltener eine krankheitsmodifizierende Therapie (DMT) bekommen als solche mit EOMS. Weinstock-Guttman verwies darauf, dass die bisherigen Daten für eine ähnliche Reduktion der Schubrate unter DMT bei LOMS wie bei EOMS sprächen, die Behinderungsprogression bei LOMS aber weniger stark eingedämmt werde. Als Problem nannte die Neurologin jedoch die geringe Zahl von Therapiestudien zu LOMS. So sei man hier weitgehend auf Registerdaten angewiesen. Neue retrospektiv erhobene Daten aus Großbritannien präsentierte Dr. Sarmad Al-Araji vom University College in London auf dem MS-Kongress [2]. Er sieht für DMT bei LOMS-Patienten nicht nur vergleichbare Effekte wie bei EOMS auf die Schubrate, sondern auch auf die Behinderungsprogression. Allerdings bezog sich die Analyse auf LOMS-Patienten, die alle noch eine schubförmige MS hatten. Unter DMT kaum Unterschiede beim LOMS- und EOMS-Verlauf Das Team um Al-Araji hatte Angaben zu knapp 2000 Erwachsenen mit schubförmiger MS ausgewertet, die zwischen 2002 und 2022 an einem MS-Zentrum in London eine DMT begonnen hatten. Davon zeigten 278 (14%) einen Krankheitsbeginn im Alter ab 50 Jahren. Personen mit LOMS waren im Schnitt 56 Jahre alt, solche mit EOMS 20 Jahre jünger, EOMS-Kranke hatten im Jahr zuvor etwas häufiger Schübe und deutlich häufiger neue MRT-Läsionen. Bei der Therapie gab es hingegen kaum Unterschiede: Am häufigsten wurde DMF verordnet (bei rund einem Drittel), etwas mehr als ein Viertel in beiden Gruppen bekam Glatirameracetat, gefolgt von Fingolimod, Ocrelizumab und Natalizumab. Nach zwei Jahren Therapie betrug die jährliche Schubrate 0,1 pro Jahr – vor der Therapie lag sie rund zehnfach höher. 21% der EOMS-Patienten entwickelten eine EDSS-Progression, ebenso 14% der LOMS-Kranken. Die Zahl der neuen oder Gadolinium-anreichernden MRT-Läsionen war in beiden Gruppen ähnlich hoch (0,2 und 0,1). Keine Zeichen einer Krankheitsaktivität (NEDA-3) wiesen nach zwei Jahren 59% mit EOMS und 55% mit LOMS auf. Nach Berücksichtigung relevanter Begleitfaktoren ließen sich in keinem der Punkte signifikante Unterschiede nachweisen. Zumindest für Patientinnen und Patienten mit schubförmiger MS scheinen DMT ähnlich wirksam zu sein, egal ob sie eine EOMS oder LOMS haben. Für Personen mit einer schubförmigen LOMS seien daher dieselben Kriterien bei der Wahl der DMT zu berücksichtigen wie für solche mit EOMS, so das Fazit von Al-Araji. Empfehlung der Redaktion ECTRIMS 2023 Kongress der European und American Committee for Treatment and Research in MS 2023 11.-13. Oktober 2023 | Mailand Auf der gemeinsamen Tagung der ECTRIMS und ACTRIMS in Mailand wurden neue Daten zum Management der Multiplen Sklerose vorgestellt: So verzögert eine frühe hochwirksame Therapie langfristig neue Behinderungen und eine Stammzelltherapie erweist sich als besonders wirksam gegen aggressive Verläufe. Viele neue Erkenntnisse gibt es auch zur Therapie älterer Erkrankter. Lesen Sie in unserem Kongressdossier was auf der Tagung diskutiert wurde.

Die Highlights vom Kongress des American College of Cardiology 2024

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