Künstliche Intelligenz könnte Lücken bei Diabetesversorgung schließen

Künstliche Intelligenz hat enormes Potenzial für die Diabetesversorgung – und könnte Lücken schließen, heißt es bei der diatec-Tagung in Berlin. Retinopathie-Erkennung, Therapiepersonalisierung, Risikoprädiktion: Künstliche Intelligenz (KI) könnte bei Diabetespatienten künftig viele nützliche Aufgaben übernehmen – und das Versorgungsniveau insgesamt anheben. „Es gibt mittlerweile KI-Modelle für praktisch jede Begleit- und Folgeerkrankung des Diabetes“, sagte Professor Bernhard Kulzer vom Diabetes-Zentrum Mergentheim. „Die sind noch nicht alle anwendbar, aber der Proof of Principle ist in den meisten Fällen erbracht.“ KI-Screening auf Retinopathie Bei der diatec-Tagung vom 25. bis 27. Januar in Berlin wurde den KI-Algorithmen in der Diabetesversorgung jetzt eine ganze Session gewidmet. Wo geht die Reise hin? In der Versorgung angekommen sei mittlerweile das KI-Screening auf Retinopathie, so Kulzer. Dafür gibt es diverse Systeme. Kulzer selbst nutzt das US-amerikanische Eyenuk-System, bei dem Diabetespatienten ohne weitgetropfte Augen mit einer unkompliziert bedienbaren Funduskamera gescannt werden. Die Bilder gehen nach Großbritannien und kommen innerhalb von Sekunden ausgewertet zurück. Patienten mit Normalbefunden bleiben im Vorsorge-Screening, nur wenn das System anschlägt, wird ein Augenarzt involviert. Kulzer sieht darin einen echten Versorgungsgewinn. Die allermeisten Diabetespatienten sollten mindestens alle zwei Jahre ein Retinopathie-Screening erhalten: „Das erreichen wir ohne KI bei Weitem nicht.“ Screening via Smartphone-Adapter Auch aus Sicht der Ophthalmologie spreche vieles für den KI-Einsatz beim Retinopathie-Screening, sagte Dr. Annie Xia von der Charité Berlin. Sie wies darauf hin, dass eine nicht-mydriatische Fundusfotografie mittlerweile sogar mit zertifizierten Smartphone-Adaptern möglich sei, was das Einsatzspektrum gegenüber fest installierten Kameras nochmal verbreitere. Leistungsfähigere Algorithmen kombinierten mittlerweile das Screening auf diabetische Retinopathie mit dem auf Makuladegeneration und sogar Glaukom, sodass sich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen ließen, betonte Xia. Einen etwas anderen Blickwinkel hat der KI-Experte Dr. Justus Wolff, der im Rahmen eines Start-up-Unternehmens anhand von 50.000 Real-World-Datensätzen in Kooperation mit diabetischen Schwerpunktpraxen Prädiktionsmodelle für unterschiedliche Diabeteskomplikationen entwickelt. Basis für das Praedigo genannte Tool ist die ganz normale Routinedokumentation, und am Ende soll ein einfaches Ampel-System stehen, das auf Patienten mit besonders hohem Risiko hinweist. Simulationen mithilfe digitaler Zwillinge Noch eine Stufe experimenteller sind Tools, die auf Basis einer allerdings umfassenden Routinedokumentation digitale Zwillinge von individuellen Diabetespatienten erzeugen. PD Dr. Dominic Ehrmann aus Bad Mergentheim berichtete darüber. Anhand dieser Zwillinge können behandelnde Ärzte eine Therapieoptimierung quasi in silico simulieren. Beispielsweise könnte die Insulindosis testweise erhöht werden, um zu sehen, wie sich das auf die Time-in-Range und auf Hypoglykämien auswirkt. Nah an der Versorgung ist das noch nicht, aber es illustriert, wohin die Reise gehen könnte. Empfehlung der Redaktion DIAD – Die Initiative gegen Diabetes und Adipositas von Springer Medizin Diabetes Typ 2 und Adipositas zeigen in Deutschland eine steigende Tendenz. 8,7 Millionen diagnostizierte Erkrankte sowie immer mehr diagnostizierte Kinder und Jugendliche stellen das Gesundheitssystem vor große Herausforderungen, insbesondere durch die schwerwiegenden Folgeerkrankungen. Deshalb haben wir die Initiative DIAD ins Leben gerufen, mit einem interprofessionellen Ansatz, um fortzubilden und gemeinsam einen Beitrag zu leisten, auf die Probleme, den Stellenwert von Prävention, neuen Therapien sowie die Patientenversorgung aufmerksam zu machen und zu helfen, diese zu optimieren. Quelle: Ärzte Zeitung

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