Mit seiner Monographie über ein gelingendes Sterben – und konkreter über die gelingende Begleitung von sterbenden Menschen – legt Werner Schweidtmann eine Art professionelles Lebensresümee vor. Er arbeitet seit vielen Jahren als Psychoonkologe am Evangelischen Krankenhaus Lippstadt und in einer Praxis für Medizinische Psychologie am dem Krankenhaus angeschlossenen Facharztzentrum. Die dort gemachten Erfahrungen und deren kritische Reflexion machen den inhaltlichen Kern und Schwerpunkt des Werks aus.
Das Buch bietet neben einer theoretischen und historischen Einordnung der Herausforderungen am Lebensende einen Einblick in die typischen Reaktionsweisen auf diese Herausforderungen: Reaktionsmuster einzelner Sterbender, ihrer Angehörigen, der behandelnden Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden und therapeutisch Begleitenden. Dazu werden neben Dialogsequenzen auch Fotos und Zeichnungen (von inzwischen Verstorbenen) wiedergegeben.
Denn der Kernbereich des Buches besteht aus zehn Geschichten von Sterbenden. Diese sehr persönlichen Erfahrungen, Begegnungen, Protokolle geben einen ehrlichen Einblick in die Höhen und Tiefen in den letzten Lebensphasen der geschilderten Personen. Hinter der Verschiedenheit und Individualität dieser Erfahrungen scheint etwas auf, das vielleicht als das Wesen – oder das Wesentliche – des Sterbens verstanden werden kann: Schweidtmann gelingt es, durch die Wahl der Fälle und durch die authentische Art seiner Darstellung, eine Art phänomenologisch-anthropologische Betrachtung des Sterbens zu ermöglichen. Dabei stehen die Wertschätzung und Akzeptanz der Begleiteten stets im Vordergrund.
Neben den Fallgeschichten ist jeweils ein Buchkapitel den folgenden Themen gewidmet: Wahrheit (am Krankenbett), Bewältigung der Herausforderung der (eigenen) Endlichkeit, Persönlichkeitstypen (im Angesicht des Todes) und die spezielle Situation und Reaktionsweise von Angehörigen (hier werden auch wertvolle Hinweise für das begleitende Team eingeschlossen). Das Schlusskapitel enthält dann sehr konkrete Hinweise für eine gute Sterbebegleitung: Welche Rolle spielen Kommunikation und Beziehung, wie können beide auch angesichts schwerer Krisen aufrechterhalten werden, und wie können sich die Begleitenden selbst schützen und für sich sorgen? Auch hier werden kleine Dialoge wiedergegeben, um konkret auf mögliche Hindernisse im Gespräch – und entsprechend auf deren Überwindung – hinzuweisen.
Die herangezogenen psychologischen Theorien und die dazu zitierte Literatur werden weder umfassend noch systematisch dargestellt. Ältere, etablierte Ansätze stehen neben aktueller Forschungsliteratur und aktuellen Studiendaten. Das Werk ist nicht als Lehrbuch konzipiert und verfolgt dennoch eine klare didaktische Absicht: Die Lesenden werden eingeladen, die für die Auseinandersetzung mit dem Sterben wichtigsten Ideen und die für die Sterbebegleitung relevantesten Kerngedanken kennenzulernen, und zwar aus der subjektiven Sicht- und Leseweise des Autors heraus, aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung und beruflichen Praxis. Die subjektive Auswahl von Zitaten aus zentralen Werken der Psychologie und auch Zitate aus dem Bereich der Belletristik unterstreichen das humanistische Anliegen: die guten Erfahrungen mit dem Sterben und die guten Modelle der Sterbebegleitung pointiert darzustellen und so aufzubereiten, dass sie auch kommenden Generationen von beruflich oder privat Begleitenden zur Verfügung stehen.
Das Buch ist geprägt von einer offenen Suchhaltung gegenüber den Bedürfnissen von Sterbenden. Es plädiert dafür, einen je individuellen Zugang zur Person der/des Sterbenden zu suchen und vorurteilsfrei auf sie/ihn zu reagieren. Einzelne Theorien sind aus Sicht des Autors dafür weniger hilfreich als eine undogmatische Herangehensweise in Kenntnis und Anerkennung unterschiedlicher Ansätze und Modelle. Die Vielzahl an Fallgeschichten und Erlebnissen hilft Menschen, die in der (beruflichen oder privaten) Praxis mit Sterbenden zu tun haben, sich auf die individuellen Herausforderungen einzulassen und so zu einer gelingenden Sterbebegleitung beizutragen. Es ist ein Buch aus der Praxis und für die Praxis. Damit wir nicht verstummen angesichts des Sterbens – mehr noch: damit wir wahrhaft begleiten und unterstützen können.
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