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Erschienen in: Die Orthopädie 4/2024

Open Access 20.02.2024 | Originalien

Erfahrungen mit der orthopädischen Einlagenversorgung – Eine Querschnittsstudie

verfasst von: Tjorven Stamer, Minettchen Herchenröder, Malte W. Klee, Katja Götz, Jost Steinhäuser

Erschienen in: Die Orthopädie | Ausgabe 4/2024

Zusammenfassung

Hintergrund

Orthopädische Einlagen (OE) werden zur Behandlung einer Vielzahl von Fußproblemen eingesetzt.

Fragestellung

Ziel dieser Querschnittsstudie war es, die Wahrnehmungen zur Versorgung mit OE unter den Herstellern der OE, den Orthopädietechniker*innen (OT), zu untersuchen.

Methodik

OT aus den Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen in Deutschland wurden eingeladen, an einem Fragebogen teilzunehmen. Die Fragen umfassten, unter anderem, die Menge der Verordnungen zur Herstellung einer OE pro Monat sowie die verwendeten Materialien. Es wurden deskriptive Statistiken, Subgruppenanalysen sowie eine lineare Regressionsanalyse durchgeführt.

Ergebnisse

Von den 312 verteilten Fragebögen wurden 159 vollständig ausgefüllt (Rücklaufquote 51 %). Die meisten der Befragten waren männlich (80 %). Das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren. Im Durchschnitt stellten die OT 290 OE pro Monat her, wobei Kunststoff das am häufigsten verwendete Material war (73 %). OT mit einer Berufserfahrung von weniger als 20 Jahren kommen bei der Herstellung von OE eher den ärztlichen Vorgaben nach als OT mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Letztere stützen ihre Entscheidungen bei der Herstellung sowie Ausgabe von OE eher auf eigene Erfahrungen.

Schlussfolgerungen

Der Herstellungs- und Ausgabeprozess von OE gestaltet sich im Vergleich der OT unterschiedlich. Verschiedene berufliche Perspektiven der OT könnten hierbei eine Rolle spielen. Ebenso der Mangel eines standardisierten Vorgehens.
Begleitmaterial
Hinweise

Zusatzmaterial online

Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Artikels (https://​doi.​org/​10.​1007/​s00132-024-04476-9) enthalten.
Beide Autor*innen Tjorven Stamer und Minettchen Herchenröder haben gleichermaßen zu dieser Arbeit beigetragen.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Abkürzungen
OE
Orthopädische Einlagen
OT
Orthopädietechniker*innen
SD
Standardabweichung
VIF
Varianzinflationsfaktor
Orthopädische Einlagen (OE) werden für zahlreiche Fußbeschwerden empfohlen. 2022 erhielten in Deutschland ca. 4,5 Mio. Menschen (in etwa 5,4 % der Gesamtbevölkerung) ein Rezept für OE. OE gehören somit bundesweit zu den am häufigsten verordneten Medizinprodukten [1]. Ziel der Studie war es, die Erfahrungen, Herausforderungen sowie Optimierungsoptionen der Orthopädietechniker*innen (OT) in Bezug auf OE abzubilden.
Orthopädische Einlagen (OE) werden für zahlreiche Fußbeschwerden [2], darunter Platt- oder Senkfußschmerzen [3], Schmerzen im Bereich des Mittelfußes, der Ferse und Achillessehne, des Knies und der Hüfte [4, 5] sowie bei Rückenproblemen [6] empfohlen. OE gehören in Deutschland zu den am häufigsten verordneten Medizinprodukten [1, 7]. Für die gesetzlichen Krankenversicherungen bedeutete dies Kosten von über 528 Mio. € [1]. Trotz dieser Zahlen ist die Studienlage bezüglich der Wirksamkeit hierbei nicht eindeutig, wie verschiedene kürzlich erschienene systematische Reviews aufzeigen [8, 9]. Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kam ein Cochrane Review, wobei hier ausschließlich Kinder betrachtet wurden [10]. Mangelhaft erscheinen in diesem Zuge vor allem die verwendeten Studiendesigns [10].
Orthopädische Einlagen werden von Ärzt*innen verordnet [11], während sie von Orthopädietechniker*innen (OT) hergestellt und an die Patient*innen ausgegeben werden. Die Arbeit als OT ist ein traditioneller Handwerksberuf, der das Entwerfen, Entwickeln, Herstellen und Anpassen von verschiedenen orthopädischen und prothetischen Hilfsmitteln umfasst.
Für die Herstellung und Anpassung einer individuellen OE stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Z. B. ein zweidimensionaler (2-D) Fußabdruck [11], ein Gipsabdruck [12], ein dreidimensionaler (3-D) Fußabdruck [11, 13] oder ein Fußdruckmesssystem [11, 12].
Zu den Materialien, die üblicherweise für die Herstellung von OE verwendet werden, gehören Kork, Leder, Filz, Gummi und Kunststoffe [11]. Diese Materialien sind weich und biegsam und neigen unterschiedlich schnell dazu, zu verschleißen [12]. Weiterhin wird zwischen konventionell vorgefertigten [14], teilvorgefertigten [15] und maßgefertigten [16] OE unterschieden.
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Erfahrungen von OT mit OE zu erheben.
Konkret sollten mit dieser Studie die folgenden zwei Teilfragen beantwortet werden:
1.
Wie sind die Erfahrungen bezüglich des Herstellungsprozesses von OE?
 
2.
Welche Probleme und Optimierungen sehen die Teilnehmenden im Zusammenhang mit OE?
 

Methodik

Design und Teilnehmende

Diese Querschnittsstudie wurde nach den STROBE-Richtlinien (Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology) durchgeführt [17]. Sie fand in den norddeutschen Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen statt.
Die OT erhielten eine Einladung zur Befragung in Form eines Briefes mit einem Link zum entsprechenden Online-Fragebogen auf Survey Monkey (SurveyMonkey Inc., San Mateo, Kalifornien, USA) [18]. Zusätzlich wurde eine Papierversion des Fragebogens an jeden/jede OT versandt. Die Adressen wurden von den Handwerkskammern übernommen [19, 20]. Insgesamt wurden im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2021 312 Fragebögen verschickt. Die Rücksendung des anonymen Papierfragebogens oder das anonyme Ausfüllen des Online-Fragebogens auf der Webseite beinhaltete die Einverständniserklärung zur Teilnahme.

Messung

Der Fragebogen wurde auf der Grundlage qualitativer Interviews, den Erfahrungen von zwei Physiotherapeutinnen (MH und K. Gwinner) [21], einem Allgemeinmediziner (JS) sowie den Empfehlungen einer australischen Studie [22] und einer systematischen Literaturrecherche entwickelt [23]. Anschließend wurde der Fragebogen pilotiert, aber nicht formell validiert. Die endgültige Umfrage umfasste 14 Fragen (siehe Anhang 1). Die Fragen bezogen sich, neben soziodemografischen Daten, auch auf die Verschreibung sowie die Herstellung von OE, das Alter der Gruppen, die am häufigsten OE erhalten, die Art der verordnenden Ärzt*innen, die am häufigsten verwendeten Materialien, die Überprüfung der hergestellten OE, mögliche weitere Therapiemaßnahmen und den Austausch mit anderen Berufsgruppen. Für die einzelnen Items wurden unterschiedliche Antwortmöglichkeiten genutzt. So mussten die Teilnehmenden zu den dargestellten Items frei gewählte Zahlen angeben, Mehrfachantworten wählen oder eine Zahl auf einer sechsstufigen Likert-Skala auswählen.

Analyse der Daten

Die statistische Auswertung erfolgte mithilfe der Statistiksoftware SPSS 27.0 (IBM, Armonk, NY, USA, 2020). Zunächst wurden die Ergebnisse deskriptiv in Form von Mittelwerten, Standardabweichungen (SD) sowie Prozentsätzen erfasst. Subgruppenanalysen wurden mithilfe von Chi2-Tests für Geschlechtsunterschiede, Unterschiede in den Arbeitsgebieten (Stadt vs. Land) und Berufserfahrung durchgeführt. Die Berufserfahrung wurde in „20 Jahre und weniger“ und „mehr als 20 Jahre“ gruppiert. Dem wurde der Median zugrunde gelegt. Entsprechend konnten erfahrene mit sehr erfahrenen OT verglichen werden.
Im Anschluss an diese Analysen wurde eine schrittweise lineare Regressionsanalyse durchgeführt, um potenzielle Zusammenhänge zwischen der abhängigen Variable „spezifische Auswirkung der Verschreibung von OE“ und verschiedenen unabhängigen Variablen zu untersuchen, die signifikant mit dieser abhängigen Variable korrelierten. Es wurde auf Multikollinearität geprüft. Die Varianzinflationsfaktoren (VIF) sowie die Toleranzwerte des Regressionsmodells wurden angegeben. Die Werte für den VIF sollten nicht über 5,0 liegen, während die Toleranzwerte nicht unter 0,25 liegen sollten [24].
Für den Test der statistischen Signifikanz wurde ein Alpha-Niveau von p < 0,05 verwendet.

Ergebnisse

Mit einer Rücklaufquote von 51 % nahmen 159 der 312 OT an der Umfrage teil. 80 % der Befragten waren männlich. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer*innen lag bei 50 Jahren. Die meisten der Teilnehmer*innen kamen aus städtischen Gebieten (80 %).
Für Details siehe Tab. 1.
Tab. 1
Deskriptive Merkmale der Stichprobe (n = 159)
Merkmalea
Mittelwert (SD); min/max
Alter (Jahre)
49,5 (11,4); 22/69
Arbeitserfahrung (Jahre)
27,7 (11,5); 2/50
Anzahl (%)
Geschlecht
Männlich
79 (80)
Weiblich
20 (20)
Arbeitsbereich
Stadt
76 (79)
Land
20 (21)
Bundesland
Schleswig-Holstein
36 (37)
Niedersachsen
63 (63)
an variiert aufgrund fehlender Daten

Verschreibung von orthopädischen Einlagen und Altersgruppe

Im Durchschnitt stellten die OT 290 (SD = 470) neue OE pro Monat her, mit einem Höchstwert von 3000 und einem Mindestwert von 15. Auf Folgeverordnungen entfielen durchschnittlich 51 (SD = 22) Paare von OE.
OE wurden am häufigsten für die Gruppe der Erwachsenen zwischen 26 und 65 Jahren (59 %) ausgestellt, gefolgt von Senioren über 65 Jahren (2 %) und Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren (0,6 %). Die übrigen teilnehmenden OT (38 %) gaben keine Altersgruppe an.
Mehr als die Hälfte der OT wurden von Orthopäd*innen (55 %) verschrieben, gefolgt von Allgemeinmediziner*innen (34 %), Neurolog*innen (7 %) und Kinderärzt*innen (6 %). Der Rest wurde von anderen Fachärzt*innen verschrieben (13 %).

Herstellung

Die teilnehmenden OT berücksichtigten bei der Herstellung von OE die folgenden Aspekte: Sie inspizierten die Alltagsschuhe des/der Patient*in (98 %), sie beurteilten das Gangbild (88 %) und erhoben eine spezifische Anamnese (87 %). 81 % der OT tasteten die Schuhe ab und 70 % führten eine Inspektion durch, wenn sie OE anfertigten.
Bei der Diagnose Plattfuß war Kunststoff das am häufigsten verordnete Material (74 %), Kork das zweithäufigste (46 %), gefolgt von Leder (36 %) und Verbundwerkstoffen (17 %).
Welche Materialien bei der Herstellung von orthopädischen Verordnungen verwendet wurden, hing von den Schmerzen des/der Patient*in (91 %), den Erfahrungswerten der OT (82 %), der sportlichen Aktivität der Patient*innen (74 %), der beruflichen Belastung der Patient*innen (70 %) und der bisherigen Versorgung mit OE (70 %) ab.

Einhalten der ärztlichen Vorgaben

Auf einer Skala von 1 („nie“) bis 6 („immer“) bewerteten die Teilnehmer*innen mit einer 2 (SD = 0,9), wie stark sie sich im Durchschnitt an die Vorgaben der Ärzt*innen hielten.
Faktoren, die einen Einfluss auf diese Befolgung hatten, waren die technischen Erfahrungswerte der OT (70 %), die wahrgenommene Kompetenz der verordnenden Ärzt*innen (53 %), die Bereitschaft der Patient*innen zur Zuzahlung (43 %) und die Kooperationsfähigkeit des verordnenden Arztes/der verordnenden Ärztin (37 %).

Ausgabe der orthopädischen Einlagen

Eine detaillierte Übersicht, worauf bei der Herausgabe von OE geachtet wurde, ist in Tab. 2 dargestellt.
Tab. 2
Beschreibung der durchgeführten Schritte bei der Ausgabe (Mehrfachnennungen)
Schritte bei der Ausgabe
N (%)
Kontrolle der Verarbeitung
91 (90)
Anlegen der Schuheinlagen am unbelasteten Fuß
74 (73)
Zufriedenheit des/der Patient*in
74 (70)
Ganganalyse
71 (50)
Anlegen der Schuheinlagen am belasteten Fuß
68 (68)
Abtasten des Einlagenmaterials
25 (25)
Auf einer Skala von 1 („nie“) bis 6 („immer“) wurde mit 2,8 (SD = 1,7) angegeben, wie oft im Durchschnitt Patient*innen einen Kontrolltermin zur erneuten Kontrolle der OE erhalten haben.

Therapieerfolg und therapeutische Messung

Die spezifische Wirkung von OE wurde von den Teilnehmer*innen mit 78 % (SD = 20) eingeschätzt, wobei die maximale Schätzung bei 100 % und die minimale Schätzung bei 5 % lag.

Zusammenarbeit

Bei einer notwendigen Verordnungskorrektur (76 %), bei komplexen Fällen, die ein Brainstorming erfordern (61 %) und bei einer notwendigen OE-Korrektur (42 %) wurde der Austausch mit anderen Berufsgruppen (Hausarzt/Hausärztin, Orthopäd*in oder Physiotherapeut*in) gesucht.

Optimierungspotenzial

Die Teilnehmer*innen sprachen sich in 15 % für eine optimierte interdisziplinäre Zusammenarbeit aus. Eine vollständige Übernahme von OE durch die Krankenkassen (14 %) und ein einheitlicher Erstattungs- und Indikationskatalog für alle Krankenkassen (12 %) waren weitere Aspekte für Optimierungen (Tab. 3).
Tab. 3
Optimierungspotenziale im Rahmen der Verordnung von orthopädischen Fußeinlagen
Untersuchungsmethoden
Anzahl (%)
Optimierte interdisziplinäre Zusammenarbeit
49 (51)
Volle Kostenübernahme durch die Krankenkassen
47 (49)
Einheitlicher Erstattungs- und Indikationskatalog der Krankenkassen
39 (40)
Mehr Studien zur Evidenz von Schuheinlagen
36 (37)
Industriefreie interdisziplinäre Ausbildung für die Einlagenversorgung
33 (34)
Etablierung der Schuheinlagenversorgung in der Ausbildung
32 (33)
Standardisierte Richtlinien für Einlagenverordnungen
27 (28)
Vorhandensein eines definierten Behandlungspfades im Zusammenhang mit Einlagenverordnungen
26 (27)
Optimierung der Therapietreue der Patient*innen
18 (19)
Keine Zuzahlung durch Patient*innen
15 (16)
Standardisierte Einlagenherstellung durch Orthopädietechniker*innen
4 (4)

Subgruppenanalysen

Männliche OT (65 % der Männer) achteten mehr auf die Ökonomie bei der Herstellung von OE (p = 0,012) als weibliche OT (35 % der Frauen). Außerdem führte ein höherer Prozentsatz der männlichen OT (85 % der Männer) bei der Herstellung der OE eine Fußpalpation durch als bei den weiblichen OT (60 % der Frauen) (p = 0,014).
Wenn die Patient*innen keine Abneigung gegen eine Zuzahlung bei der Herstellung von OE zeigten, hielten sich die OT in ländlichen Gebieten (65 % der ländlichen Stichprobe) eher (p = 0,031) an die Anweisungen der Ärzt*innen als die in der Stadt arbeitenden OT (38 % der städtischen Stichprobe). In ländlichen Gebieten (90 % der ländlichen Stichprobe) führten OT auch häufiger eine Ganganalyse durch (p = 0,034) als OT in städtischen Gebieten (66 % der städtischen Stichprobe).
OT mit einer Berufserfahrung von 20 Jahren oder weniger hielten sich häufiger an ärztliche Vorgaben als OT mit sehr langer Berufserfahrung (p = 0,032). Hierbei relevant ist der Faktor der Kooperationsfähigkeit der Ärzt*innen.
Weiterhin wurde festgestellt, dass OT, die 20 Jahre oder weniger gearbeitet hatten, eher die vorhergegangene OE-Versorgung der Patient*innen berücksichtigten (p = 0,032) als diejenigen, die mehr als 20 Jahre gearbeitet hatten.

Schätzung der spezifischen Wirkung auf die Verschreibung von Schuheinlagen

Es wurde ein vierstufiges Regressionsmodell durchgeführt, das 29,1 % (R2 ~ 0,291) der Varianz der Zielvariable „Schätzung der spezifischen Wirkung der Verschreibung von OE“ erklärt. Koeffizienten, die im Laufe der Analyse in das Modell aufgenommen wurden, waren „Kontrolltermin zur Nachkontrolle der Einlagen“ sowie „Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Messung“.
Eine detaillierte Beschreibung der schrittweisen linearen Regression findet sich in Tab. 4.
Tab. 4
Zusammenhänge von individuellen Merkmalen und verschiedenen Aspekten der Einlagenversorgung mit der Schätzung des spezifischen Effekts der Einlagenverordnung (schrittweise lineare Regressionsanalyse; Spezifikation des standardisierten Betakoeffizienten, α = 5 %)
 
Schritt 1
Schritt 2
Schritt 3
Schritt 4
VIF-Wert
Toleranzwert
Alter
0,372
0,373
0,346
0,309
1,00
1,00
Komorbidität der Patient*innen
0,298
0,279
0,194
1,00
1,00
Kontrolltermin zur Nachkontrolle der Einlagen
−0,246
−0,259
0,98
1,02
Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Messung
0,209
0,80
1,24
R2
0,129
0,210
0,263
0,291
Es wurden nur Koeffizienten mit einer statistischen Signifikanz auf dem Niveau α < 0,05 angegeben

Diskussion

Es handelt sich um die erste Querschnittsstudie, an der Orthopädietechniker*innen aus zwei Bundesländern in Deutschland beteiligt waren. Es gibt mehrere Fachärzt*innen, die an der Verschreibung von OE beteiligt sind, aber nur eine Berufsgruppe, die sie herstellt und ausgibt.
Unsere Daten zeigen, dass etwa der gleiche Prozentsatz der Befragten aus städtischen oder ländlichen OT stammt. Die soziodemografischen Ergebnisse hinsichtlich des Geschlechts waren in etwa mit den offiziellen Daten vergleichbar [25].
Während die papierbasierte Befragung eine Rücklaufquote von 26 % aufwies, lag die Rücklaufquote bei der Online-Version bei 74 %. Diese hohe Beteiligung an der Online-Umfrage lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass eine große Anzahl eher jüngerer und entsprechend technikaffiner Teilnehmer*innen an der Studie teilnahm und sich im Zuge dessen für das digitale Vorgehen entschied.
In Bezug auf die oben genannten Forschungsfragen zeigen unsere Ergebnisse, dass die OT eine hohe Anzahl von OE in einem einzigen Monat herstellen und dass Kunststoff das am häufigsten verwendete Material ist. Dies stimmt mit den Ergebnissen anderer vergleichbarer Studien überein [26, 27].
Weiterhin bilden unsere Ergebnisse ab, dass OT, die weniger als 20 Jahre Berufserfahrung angeben, eher der Verordnung der Ärzt*innen nachkommen, als diejenigen, die mehr als 20 Jahre Erfahrung haben. Diese Diskrepanz könnte darauf zurückzuführen sein, dass unterschiedliche berufliche Perspektiven bei der Herstellung von OE eine Rolle spielen. Ein zweiter Grund könnte darin liegen, dass keine Standards zum konkreten Vorgehen bestehen. Inwieweit Defizite in der Aus- und Weiterbildung von Ärzt*innen dieses Ergebnis mitbeeinflussen, sollte Gegenstand zukünftiger Forschung sein. Bisher können OT bei den Entscheidungen über die Herstellung von OE vor allem auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen [28]. Hier wären Studien wünschenswert, um zukünftig evidenzbasiert vorgehen zu können.
Passend zu Vorarbeiten [29] verdeutlicht unsere Studie, dass kein geregelter diagnostischer Weg hin zur OE existiert [12, 22] und dass nach wie vor ein Mangel an hochwertigen Studien zur Wirksamkeit und zum Therapieerfolg von OE besteht.
Entsprechend ist es plausibel, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei steigender Komplexität eines Falles zunehmend an Bedeutung gewinnt [30].
Vor dem Hintergrund der häufigen Angaben, dass sich nicht an eine ärztliche Vorgabe gehalten wurde, sollten ergänzende qualitative Studien durchgeführt werden, um zu thematisieren, welche Fälle von den Teilnehmenden bereits als ein Fall von sich nicht an eine ärztliche Vorgabe halten interpretiert werden.

Stärken und Limitationen

Unsere Umfrage bei den OT war die erste ihrer Art in Deutschland und umfasste eine Stichprobe aus Teilnehmer*innen mit einem hohen Maß an Berufserfahrung, welche Subgruppenvergleiche bezüglich sehr geringer bzw. geringer Berufserfahrung erschwert. Über die Einteilung der Berufserfahrung mittels der Berechnung des Medians wurde eine erste Annäherung an diese Thematik getroffen. Bisher sind keine vergleichbaren Daten veröffentlicht worden.
Einige Fragen hatten trotz Pilotierung einen hohen Grad an fehlenden Werten, d. h. die Teilnehmer*innen haben sich entschieden, eine Frage mindestens zum Teil nicht zu beantworten. Beispielsweise ist die Frage nach der spezifischen oder unspezifischen Wirkung der OE-Verordnung im Fragebogen möglicherweise nicht eindeutig und verständlich genug definiert worden. Weiterhin handelte es sich um subjektive Angaben der Befragten, was sich unter anderem daran zeigte, dass eine Person angab, mehr als 3000 Einlagenverordnungen in einem durchschnittlichen Monat zu erhalten.
Um die Sichtweise der Gesamtheit der OT aufzuzeigen, sind daher weitere Studien notwendig, die mehr Bundesländer in Deutschland mit einem zuvor formal validierten Fragebogen einbeziehen sollen. Zudem wurde keine Power-Berechnung durchgeführt. Zuletzt sei anzumerken, dass es sich bei dieser Studie um eine Querschnittsstudie handelt, sodass mit der Ableitung von Kausalzusammenhängen aus diesen Ergebnissen vorsichtig umgegangen werden muss.

Ausblick

Die Ergebnisse dieser Studie weisen auf die Notwendigkeit hin, mehr Evidenz für die Verschreibung und Herstellung von OE zu schaffen. Dadurch könnte die Behandlung mit OE für die meisten der häufigen Fußprobleme standardisiert und so optimiert werden.
Darüber hinaus kann dadurch die Möglichkeit eines einheitlichen Erstattungs- und Indikationskatalogs für die Krankenkassen geschaffen werden, wie er von den Teilnehmer*innen gewünscht wurde.

Fazit für die Praxis

  • Fußorthesen gehören, trotz unklarer Evidenz, zu den am häufigsten verordneten Medizinprodukten in Deutschland.
  • Die Wahrnehmungen und Herausforderungen der Orthopädietechniker*innen im Rahmen des Herstellungs- und Ausgabeprozesses werden in der vorliegenden Arbeit erstmalig dargestellt.
  • Eine umfassendere evidenzbasierte Grundlage für die Verschreibung, Herstellung und Ausgabe von Fußorthesen könnte die Behandlung der häufigsten Fußprobleme optimieren.
  • Eine standardisierte, evidenzbasierte Vorgehensweise im Rahmen der Behandlung mit Fußorthesen wird empfohlen.
  • Weitergehend würde auf Basis der potenziellen evidenzbasierten Standardisierung die Möglichkeit eines einheitlichen Erstattungs- und Indikationskatalogs für die Krankenkassen geschaffen werden.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

T. Stamer, M. Herchenröder, M.W. Klee, K. Götz und J. Steinhäuser geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Erfahrungen mit der orthopädischen Einlagenversorgung – Eine Querschnittsstudie
verfasst von
Tjorven Stamer
Minettchen Herchenröder
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Publikationsdatum
20.02.2024
Verlag
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Print ISSN: 2731-7145
Elektronische ISSN: 2731-7153
DOI
https://doi.org/10.1007/s00132-024-04476-9

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Ein Drittel der jungen Ärztinnen und Ärzte erwägt abzuwandern

07.05.2024 Medizinstudium Nachrichten

Extreme Arbeitsverdichtung und kaum Supervision: Dr. Andrea Martini, Sprecherin des Bündnisses Junge Ärztinnen und Ärzte (BJÄ) über den Frust des ärztlichen Nachwuchses und die Vorteile des Rucksack-Modells.

Aquatherapie bei Fibromyalgie wirksamer als Trockenübungen

03.05.2024 Fibromyalgiesyndrom Nachrichten

Bewegungs-, Dehnungs- und Entspannungsübungen im Wasser lindern die Beschwerden von Patientinnen mit Fibromyalgie besser als das Üben auf trockenem Land. Das geht aus einer spanisch-brasilianischen Vergleichsstudie hervor.

Endlich: Zi zeigt, mit welchen PVS Praxen zufrieden sind

IT für Ärzte Nachrichten

Darauf haben viele Praxen gewartet: Das Zi hat eine Liste von Praxisverwaltungssystemen veröffentlicht, die von Nutzern positiv bewertet werden. Eine gute Grundlage für wechselwillige Ärztinnen und Psychotherapeuten.

Proximale Humerusfraktur: Auch 100-Jährige operieren?

01.05.2024 DCK 2024 Kongressbericht

Mit dem demographischen Wandel versorgt auch die Chirurgie immer mehr betagte Menschen. Von Entwicklungen wie Fast-Track können auch ältere Menschen profitieren und bei proximaler Humerusfraktur können selbst manche 100-Jährige noch sicher operiert werden.

Update Orthopädie und Unfallchirurgie

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