Eine Valsalva-Retinopathie ist eine seltene Netzhauterkrankung, gekennzeichnet durch Netzhautblutungen infolge einer unvermittelt plötzlichen Erhöhung des intrathorakalen Drucks. Die innerhalb des Körpers resultierende Druckwelle wird bis in die okulären Venen fortgeleitet, was zu einer spontanen Ruptur der oberflächlichen retinalen Kapillaren am hinteren Augenpol führen kann. Unabhängig von Alter und Gesundheitsstatus kann dann bei jedem Menschen eine spontane Ruptur retinaler Kapillaren am hinteren Augenpol auftreten [
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2]. In den meisten Fällen resorbiert sich die Blutung, und es wird ein normaler Visus abhängig von der Blutungslokalisation erreicht. Das Valsalva-Manöver ist durch die kräftige Exspiration gegen die geschlossene Glottis definiert, welche zu einem plötzlichen Anstieg des intravenösen Drucks in Abdomen und Thorax und somit auch zum Anstieg des intraokulären Venendrucks führt. Der Versuch ist in verschiedenen medizinischen Teilbereichen z. B. der Angiologie zum Nachweis von Abflussstörungen einsetzbar. Alltägliche Aktivitäten wie das Heben schwerer Lasten, Erbrechen, Husten, Schnäuzen, Spielen von Blasinstrumenten, Sport, aber auch kardiopulmonale Reanimation und Kompressionstraumata können zur Ruptur perifovealer superfizieller Netzhautkapillaren führen [
1]. In unserem Fall trat eine intraretinale Blutung im Makulabereich nach dem Heben einer Beifahrertür eines VW (Volkswagen) T4 auf. Eine solche Autotür wiegt ca. 20–30 kg [
5]. Neben dem Gewicht eines Gegenstandes spielt aber auch die richtige Hebetechnik und Durchführung des Valsalva-Manövers eine wesentliche Rolle. Beim Heben von Gewichten unterstützt das Valsalva-Manöver die Stabilität des Rumpfes und des Rückens. Wenn dieses Manöver statt gegen die geschlossene Glottis gegen den geschlossenen Mund ausgeführt wird, zeigen sich oft als erste Anzeichen petechiale Einblutungen im Lidbereich [
6]. Für eine Valsalva-Retinopathie ist die Anamnese eines Valsalva-Manövers mit einem plötzlichen, meist einseitigen Visusverlust typisch. Weiter werden dunkle Flecken, Floater und Verschwommensehen berichtet. Der Befund präsentiert sich als gut begrenzte, runde oder ovale präretinale Blutung im Foveabereich, entweder unter der ILM oder im subhyaloidalen Raum und meist mehr als 1 Papillendurchmesser groß. Wenn Blut sowohl unter ILM als auch subhyaloidal vorhanden ist, zeigt sich ein „double ring sign“. Weiter können auch andere okuläre Auffälligkeiten wie ein Hyposphagma, die bereits beschriebenen Petechien der Lider, oberflächliche intraretinale Blutungen, intraretinale Flüssigkeit oder Glaskörperblutungen beobachtet werden. In der Untersuchung geben auch diese Befunde Hinweise auf die Genese der Netzhautblutung. In der Diagnostik ist neben der Erhebung des bestkorrigierten Visus und des Organbefundes die OCT-Untersuchung zum Monitoring und zur weiteren Therapieplanung von zentraler Bedeutung [
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3]. Anhand der OCT kann eine Aussage über die Lokalisation der Blutung und damit die interventionellen Möglichkeiten wie eine Lasertherapie bzw. die Notwendigkeit eines glaskörperchirurgischen Eingriffes getroffen werden [
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4]. Zur Dokumentation und Verlaufskontrolle der Blutung ist eine Fundusaufnahme zu empfehlen.
Insbesondere bei atypischen Krankheitsereignissen ohne die sichere Vorgeschichte eines Valsalva-Manövers ist zum Ausschluss von Neovaskularisationen oder anderen Netzhautpathologien über eine Fluoreszeinangiographie zu entscheiden. Differenzialdiagnostisch sollte bei diesen Patienten an eine hypertensive Retinopathie, eine Sichelzellanämie, ein rupturiertes Mikroaneurysma, eine anämiebedingte Retinopathie, aber auch an ein Terson-Syndrom oder im Falle eines betroffenen Kleinkindes an ein nichtakzidentelles Schädel-Hirn-Trauma (oder Schütteltraumasyndrom) gedacht werden [
1]. Bei Glaskörperblutungen ist eine B‑Bild-Sonographie zur Einschätzung der Netzhaut notwendig. Insgesamt hat eine Valsalva-Retinopathie eine gute Prognose.