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15.08.2023 | Online-Artikel

Warum eigentlich sollte man Berufskrankheiten melden?

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Jeder Arzt oder Zahnarzt in der Bundesrepublik ist nach Paragraf 202, SGB 7, verpflichtet, wenn bei einem/einer PatientIn der “begründete Verdacht“ auf das Vorliegen einer Berufskrankheit besteht, dies an die gesetzliche Unfallversicherung zu melden*. Dafür gibt es ein entsprechendes Formblatt F6000, die sogenannte „Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit“. Sämtliche Formulare der gesetzlichen Unfallversicherung können über die Homepage der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) heruntergeladen werden.

von Univ.-Professor Dr. med. Swen Malte John, Osnabrück

Der Gesetzgeber hält die Meldung bezüglich eines begründeten Verdachts auf das Vorliegen einer Berufskrankheit für so wichtig, dass er uns Ärzte verpflichtet, sie sogar gegen den Willen des/der betreffenden Beschäftigten zu erstatten, weil vermieden werden soll, dass der einzelne – vielleicht in medizinischer Unkenntnis – sich weiter schädigt und natürlich auch weil weitere Beschäftigte von schädigenden beruflichen Einwirkungen betroffen sein könnten. Damit dient diese Meldung auch der epidemiologischen Identifizierung von möglicherweise in bestimmten Branchen überproportional häufig auftretenden gesundheitlichen Schädigungen. Diese Überlegungen des Gesetzgebers werden auch gleichzeitig Motiv für Ärzte sein, der Aufforderung zur Erstattung von Meldungen an die Unfallversicherung in solchen Fällen nachzukommen.

Obwohl also die Erstattung einer Ärztlichen Anzeige auch gegen den Willen des/der Beschäftigten erfolgen kann, wird man gleichwohl immer durch Aufklärung versuchen, das Einverständnis zu erreichen. Falls im äußersten Fall gegen den Willen des/der Beschäftigten eine Anzeige erstattet wird, müsste man dies auf jeden Fall aber dem/der Betreffenden mitteilen.

Wenn man der ärztlichen Meldepflicht nicht nachkommt, ist dies in Deutschland – anders als zum Beispiel in Österreich – nicht sanktioniert. Allerdings vernachlässigt man dann nicht zuletzt die Rolle, die uns Ärzten als Sachwalter unserer Patienten zukommt. Nur wenn wir Berufskrankheiten melden, können Patienten ihre umfangreichen ihnen gesetzlich zustehenden Ansprüche auch umsetzen. Diese weitreichenden Ansprüche beziehen sich nicht nur auf sämtliche medizinische Leistungen nach gesundheitlicher Schädigung am Arbeitsplatz, sondern auch zum Beispiel auf Geldleistungen wie zum Beispiel Verletztengeld, Teilhabeleistungen und gegebenenfalls Rentenleistungen. Dies bezieht sich auch auf sogenannte Wegeunfälle, also Gesundheitsschäden, die auf dem Weg zur oder von der Arbeit auftreten.

Auch wenn es keine Sanktionierung durch die Behörden für Ärzte gibt, die in offensichtlichen Fällen eine BK Anzeige nicht erstattet haben, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass auf zivilrechtlichem Wege Ansprüche seitens des/der PatientIn gegen den Arzt geltend gemacht werden könnten aufgrund entgangener Leistungen. Zum Beispiel können im Fall von beruflichem Hautkrebs durch Sonne (Berufserkrankung BK 5103) Rentenleistungen bis zu vier Jahre rückwirkend ab dem Datum der Meldung an den/die Betreffende seitens der Unfallversicherung gezahlt werden. Maßgeblich für den Rückwirkungszeitraum ist das Datum der Meldung. Entsprechend könnten bei zu später Meldung unter Umständen mehrere Jahre Entschädigungsleistungen dem/der Betreffenden vorenthalten worden sein. Entsprechende Fälle sind allerdings bisher unseres Wissens nicht vor deutschen Gerichten anhängig.

Anders als bei der gesetzlichen Krankenkasse, bei der medizinische Leistungen entsprechend des Wirtschaftlichkeitsgebots explizit nicht mehr als “ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ (Paragraf 12 SGB 5**) sein dürfen, gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich anderes, nämlich, dass eine beruflich bedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen mit allen geeigneten Mitteln beseitigt werden soll (Paragraf 1 SGB 7***). Es ist deshalb nicht zuletzt im ärztlichen Interesse, eine entsprechende Meldung vorzunehmen, weil die Versorgung in einer ganz anderen Dimension stattfinden kann als in der gesetzlichen Krankenkasse. So sind zum Beispiel Therapien möglich, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse nicht liquidationsfähig sind. Es kann im Sinne der Einzelleistungsvergütung nach der Gebührenordnung für die gesetzliche Unfallversicherung (UV GOÄ) abgerechnet werden. Im Falle der schon angesprochenen Berufskrankheit BK 5103 ("Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung") sind beispielsweise LASER-Therapien einschließlich der leitliniengerechten Nachbehandlung mit Dexpanthenol-haltigen Externa möglich, ohne dass Kosten für die Patienten entstehen.

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Am Beispiel der BK 5103 lässt sich auch gut zeigen, warum Deutschland Weltmeister bei den Meldungen von beruflichem Hautkrebs ist (ca. 10.000 neue Ärztliche Anzeigen jedes Jahr). Dies ist auch vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass diese Berufskrankheit erst im Jahre 2015 in Deutschland in die Berufskrankheitenliste aufgenommen wurde, während in anderen Ländern wie zum Beispiel in Italien (2008) oder Dänemark (2000) bereits seit längerem eine entsprechende Anerkennung von Hautkrebs als Berufskrankheit möglich ist, gleichwohl dort aber kaum Meldungen erfolgen. Es sind dort wie in den meisten übrigen Ländern eben keine wirklichen incentives - weder für Patienten noch für Ärzte - mit der Meldung verbunden. Nur in Deutschland bringen die Meldungen konkrete Vorteile für die Betreffenden (oben angesprochene bessere medizinische Versorgung, Geldleistungen) ebenso wie auch für den/die meldende(n) Arzt/Ärztin (bessere Versorgungsmöglichkeiten und wirtschaftliche Liquidation). Wir sollten deshalb (weiter) engagiert Betroffene melden!

>>zum Download der Formulare


*Paragraf 202, SGB 7: Haben Ärzte oder Zahnärzte den begründeten Verdacht, daß bei Versicherten eine Berufskrankheit besteht, haben sie dies dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle in der für die Anzeige von Berufskrankheiten vorgeschriebenen Form (§ 193 Abs. 8) unverzüglich anzuzeigen

** Paragraf 12, SGB 5 (1):  1 Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 2 Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

*** Paragraf 1, SGB 7: Prävention, Rehabilitation, Entschädigung Aufgabe der Unfallversicherung ist es, nach Maßgabe der Vorschriften dieses Buches 1.mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten, 2.nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.

>> Zum Impressum

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